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2.02. - 28.06.2015
Paradies II: Ambivalente Ansichten
Margret Berger und Roland Stratmann
Kunst-Raum-Akademie
der Diözese Rottenburg-Stuttgart

Begrüßung und Einführung:
Dr. Ilonka Czerny M.A., Referentin für Kunst an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart

Zwiespältige Paradiese
Mit dem Begriff ›Paradies‹ wird meist Glück, Mü.iggang und sorgloses Leben assoziiert. Bei intensiver, zugleich tiefgehender Beschäftigung mit dieser Thematik erkennt man jedoch auch die Einschränkungen, Begrenzungen – je nach Betrachtungsweise sogar Negativa –, die mit dem Paradies-Komplex in Verbindung stehen. Kann das sein, ein nicht paradiesisches Paradies?Bereits der Begriff gibt eine Begrenzung vor. Das Lehnwort ›Paradies‹ kommt vom Altiranischen ›Pairi-daeza‹, es bezeichnet den Sitz der Götter, genauer das ›Gefilde der Seligen‹ und meint den umzäunten, umgrenzten Garten. Er grenzt ein und aus. Es ist jedoch ein geordneter harmonischer Garten, der in Abgrenzung zur Wildnis gemeint ist. Auch innerhalb des Gartens gibt es keine grenzenlose Freiheit, herrscht keine Anarchie, sondern eine göttliche Ordnung und von Gott auferlegte Verhaltens- und Speiseregeln. Der permanente Mü.iggang des ersten Menschenpaares ist gleichfalls ein Trugschluss, auch sie mussten einer Arbeit nachgehen und den Garten Eden bewirtschaften. Das Paradies ist durchaus ambivalent zu betrachten, obwohl das nicht unserem Wunschbild und unserer Vorstellungswelt entspricht.

Margret Bergers »Onedayparadises« sind ebenso voller Ambivalenzen, wie sie stets betont. In ihren großformatigen Ölgemälden verarbeitet sie ihr langjähriges Leben und Wirken auf einer Südseeinsel. Papua-Neuguinea wird vordergründig und mit touristisch verklärtem Blick als ein Abbild des Paradieses, als ›Trauminsel‹ gewertet. Das trifft nach Bergers Ansicht grundsätzlich zu, aber der Zauber der Natur kann sich auch wandeln, wenn Regenzeit ist oder Hurrikane wüten. Natur-Paradies und grüne Hölle sind eng miteinander verknüpft.

Roland Stratmanns filigrane Zeichnungen bestehen technisch gesehen aus einer ›Endloslinie‹, eine Eigenart des Künstlers. Beim Zeichnen setzt er den Zeichenstift nie ab. Doch weist auch diese scheinbar nicht endende Linie einen Anfang und ein Ende auf, in dem der Zeichner sein Repertoire entfaltet. Inhaltlich handelt es sich um die tradierte Erzählung aus dem Alten Testament. Aber der Künstler erzählt sie mit neuen, nicht aus der Kunstgeschichte ikonografisch festgelegten Szenen und unterlegt diese mit uneindeutigen Texten, die durchaus ambivalent in Verbindung zum Bildinhalt erscheinen. Seine Intention mit dem Zyklus »Eden« ist es, unsere Sehgewohnheiten aufzubrechen. Dazu sind manchmal Ambivalenzen notwendig.

Der Sehnsuchtsort Paradies scheint voller Zwiespälte zu stecken, die auch die Künstlerin und der Künstler einbeziehen und in ihren Werken verarbeiten. Vielleicht brauchen wir diese scheinbaren Ambivalenzen, die auch in jedem von uns selbst stecken, um individuell ›paradiesisch‹ Leben zu können. Dr. Ilonka Czerny